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Nova PP – Pilotprojekte

Nova PP – Pilotprojekte

Funktioniert NoMix im Alltag?
Pilotprojekte mit NoMix-WCs sind anspruchsvoll, funktionieren diese WCs doch (noch) nicht so problemlos wie konventionelle. Für die Weiterentwicklung sind aber Praxistests erforderlich. In der Schweiz wurden vier Pilotprojekte in Wohnungen und öffentlichen Gebäuden durchgeführt. Das Fazit: NoMix-WCs lassen sich gut einführen, erfordern aber eine intensive Begleitung. Dabei sind private Projekte heikler als öffentliche. Die Erfahrungen sind sowohl für die Entwicklung der Technologie als auch für die Praxis sehr bedeutend.

  Text Pilotprojekte (pdf, 341 KB)

Hintergrund

Jede Innovation muss sich in der Realität bewähren; eine Technologie lässt sich nur durch Praxisprojekte weiterentwickeln. NoMix-Pilotprojekte sind besonders anspruchsvoll, denn die WCs müssen von Menschen getestet werden, noch bevor sie den Standard konventioneller Toiletten erreicht haben ([1]; siehe auch Beitrag "Praktische Hinweise").

Grosse Sanitärfirmen zögern, in NoMix-WCs zu investieren, so lange der Markt klein ist ([2]; Nova 2). Ein grosser Markt entsteht aber nur, wenn wir grosse Demonstrationsprojekte durchführen können – und diese wiederum sind wegen der Mängel der NoMix-WCs heikel. Eine klassische Zwickmühle. Der einzige Ausweg: Pilotprojekte mit heutiger Technologie durchführen – so gut es eben geht [1]. Wir danken allen, die sich in der Praxis an Pilotprojekten beteiligt haben, für ihren Mut zum Abenteuer NoMix. Novaquatis hat sehr viel daraus gelernt.

Pilotprojekt I: Privatwohnungen

(Koordination: Judit Lienert)

In einer städtischen Überbauung wurden 2001 vier Wohnungen mit Roediger NoMix-WCs (www.roevac.com) inklusive Tank im Keller ausgerüstet. Die Initiative kam vom ökologisch motivierten Bauherrn. Bund, Kanton und Stadt unterstützten das Projekt finanziell, Novaquatis begleitete es wissenschaftlich. Das Ziel: die Akzeptanz der NoMix-WCs im Haushalt (Nova 1) und das Funktionieren im Alltag zu untersuchen (Beitrag "Praktische Hinweise"). Zusätzlich wurden Daten zur Urinmenge gesammelt (Nova 3). Anfangs gestaltete sich der Kontakt zu den Bewohnerinnen und Bewohnern schwierig; er wurde jedoch besser, als nur noch eine einzige Person von Novaquatis dafür zuständig war. 2003 mussten wegen schadhafter Keramik zwei WCs ersetzt werden – auf Wunsch der Bewohnerinnen und Bewohner durch konventionelle Toiletten: Ein Kleinkind hatte Probleme mit der Benutzung, die andere Partei war generell skeptisch.

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Anschluss an die Zukunft: Ein Sanitärinstallateur richtet ein NoMix-WC in einer Privatwohnung ein (Foto Timur Bürki)

Die verbleibenden zwei Parteien akzeptierten die NoMix-WCs gut. Dennoch wurden auch sie 2005 wegen schlechter Keramik beziehungsweise defektem Urinablauf ersetzt. Da es sich um das einzige Pilotprojekt in Haushalten handelte, sind die Erfahrungen äusserst wertvoll für Novaquatis und die Sanitärindustrie (Nova 2). Die Firma Roediger nahm die Rückmeldungen auf und verbesserte unter anderem die Keramik.

Pilotprojekt II: Bürogebäude Eawag

(Koordination: Judit Lienert)
Das erste NoMix-WC der Eawag (www.wost-man-ecology.se) wurde 1997 installiert und 2003 wegen Verstopfungen wieder ausgebaut. Zwei weitere NoMix-WCs (www.dubbletten.nu) und drei wasserlose Urinale wurden 2000 in der Nähe von Cafeteria und Hörsaal installiert und mit einem Tank verbunden. Urin und technische Anlagen wurden für die Forschung benutzt (Nova 2 bis Nova 5). Sozialwissenschaftliche Untersuchungen ergaben eine hohe Akzeptanz der NoMix-WCs (Nova 1). Allerdings bemerkten insbesondere viele Eawag-Mitarbeitende, dass die Technologie noch nicht ausgereift ist. Besucherinnen und Besucher dagegen waren weniger kritisch. Eine gute Wartung der Sanitäranlagen war unerlässlich, da sonst schnell – berechtigterweise – reklamiert wurde. Das neue Bürogebäude der Eawag (www.forumchriesbach.eawag.ch) wurde 2006 eröffnet und ist vollständig mit der NoMix-Technologie ausgerüstet. Diese lässt sich so auch nach Abschluss von Novaquatis in einem grösseren Rahmen testen.   3_pp

Auf dem Weg zum NoMix: Ein bekanntes Signet weist den Weg zu einer noch wenig bekannten Innovation an der Eawag (Foto Yvonne Lehnhard)

Pilotpojekt III: Gewerbeschule

(Claude Lüscher, Maximilian Mayer)

Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) betrieb von 2002 bis 2004 drei NoMix-WCs und sechs wasserlose Urinale in einer Gewerbeschule [3]. Hauptziel war, verschiedene Modelle zu testen und Erfahrungen zu sammeln. Die Akzeptanz war gross. Viele Benutzerinnen und Benutzer erklärten in Befragungen, sie seien bereit, ihr Verhalten ans NoMix-WC anzupassen – zum Beispiel sich zu setzen (Nova 1). Die NoMix-WCs und Urinale funktionierten meist zufriedenstellend. Einzelne Urinale verbreiteten einen unangenehmen Geruch, vor allem wenn sie nicht gemäss Herstellerangaben gereinigt wurden. Eine gute Wartung ist also sehr wichtig. Im Tank wurden tiefe Stickstoff- und Phosphorgehalte gemessen – vermutlich weil der Urin mit Spülwasser verdünnt wurde. Die praktischen Erkenntnisse waren für die Auslegung von Tank und Leitungen im grösseren Pilotprojekt IV sehr wertvoll.

Pilotprojekt IV: Kantonsbibliothek Basel-Landschaft in Liestal

(Koordination: Gerhard Koch)

Das Amt für Industrielle Betriebe Basel-Landschaft (AIB) lancierte in einer Bibliothek, die 2005 eröffnet wurde, das erste schweizerische Pilotprojekt mit voller Implementierung der NoMix-Technologie ([4]; www.kbbl.ch). Das Ziel: Alternativen in der Siedlungswasserwirtschaft zu prüfen und die NoMix-Technologie zu testen. Es handelt sich dabei weltweit um eines der ersten Projekte mit moderner Verfahrenstechnologie zur Aufbereitung von Urin im Massstab einer Versuchsanlage. Der Urin von ca. 200'000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr lagert im Tank und wird mit einem Tankwagen zur Aufbereitungsanlage gebracht.

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Die Pionierin: Die Kantonsbibliothek BL ist das erste Gebäude der Schweiz mit kompletter Implementierung der NoMix-Technologie (Foto Steffen Zuleeg)

Diese wird vom ETH-Projekt "Novatlantis" finanziell unterstützt (www.novatlantis.ch). Nach Laborversuchen an der Eawag (Nova 4) wurde als Aufbereitungsverfahren eine Kombination von Elektrodialyse und Ozonierung [5] gewählt. Damit soll ein stabiler, hygienisch einwandfreier Dünger produziert werden, der frei von Mikroverunreinigungen ist. Der Dünger erhielt eine provisorische Bewilligung (Beitrag "Praktische Hinweise"), und seine Wirkung wurde 2006 in Feldversuchen geprüft (Nova 6). Ein Meinungsforschungsinstitut ermittelte im Auftrag von Novaquatis die Akzeptanz der NoMix-WCs. Die Ergebnisse fielen auch bei der breiten Bevölkerung so positiv aus wie in früheren Umfragen (Nova 1).

Schlussfolgerungen

Um die Entwicklung der NoMix-Technologie voranzutreiben, sind weitere Pilotprojekte nötig. Diese sind kompliziert, teuer – und riskant, denn schlechte Erfahrungen können jede Innovation zunichte machen. Längerfristig braucht es deshalb bessere NoMix-WCs (Nova 2).

In öffentlichen Gebäuden lassen sich Pilotprojekte mit heutigen NoMix-WCs gut einrichten, wenn das Personal den erhöhten Wartungsaufwand übernimmt. Die Bevölkerung ist gerne bereit, hygienische NoMix-Anlagen zu benutzen (Nova 1). In privaten Haushalten dagegen empfehlen wir Zurückhaltung; nicht alle Menschen möchten mit den Nachteilen von NoMix-WCs im eigenen Bad leben. Private Pilotprojekte sind möglich, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner wissen, worauf sie sich einlassen. Ideal wäre eine sozialwissenschaftliche Begleitung, um die vielen offenen Forschungsfragen zu klären [1].

Ein klares Ziel und ein früher Einbezug aller Akteure tragen zum Erfolg des NoMix-Pilotprojektes bei ([1]; Beitrag "Praktische Hinweise"). Die Innovation hat weit reichende Konsequenzen für die Siedlungswasserwirtschaft. Deshalb sollten NoMix-Pilotprojekte von Abwasserbehörden und anderen Entscheidungsträgern auf allen politischen Ebenen sowie von privaten Investoren unterstützt werden. Wir hoffen, dass die Erfahrungen aus Novaquatis weitere Kreise ermutigen, trotz Hürden in die NoMix-Technologie einzusteigen.

Literatur

  1. Lienert, J., T.A. Larsen (submitted) Pilot projects in bathrooms: a new challenge for wastewater professionals. Erhältlich bei: novaquatis@eawag.ch.
  2. Larsen, T.A., J. Lienert (2003) Societal implications of re-engineering the toilet. Water Intelligence Online March 2003. UNIQUE ID: 200303006.  Online erhältlich.
  3. Mayer, M. (2004) Urinseparation – Praktische sanitärtechnische Erfahrungen aus 2-jährigem Betrieb einer Anlage zur separaten Gewinnung von Urin. Kurzbericht der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).
  4. Kühni, M., G. Koch, E. Ott (2002) Zukunftsweisende Sanitär- und Abwassertechnik – erstes Pilotprojekt der Schweiz für Urinseparierung, -speicherung und -steuerung im technischen Massstab. gwa (Gas Wasser Abwasser) 11/2002: 827–835.
  5. Pronk, W., S. Zuleeg, J. Lienert, B. Escher, M. Koller, A. Berner, G. Koch, M. Boller (submitted) Pilot experiments with electrodialysis and ozonation for the production of a fertilizer from urine. Accepted for presentation at IWA Advanced Sanitation Conference, Aachen, 12.–13.3.2007, submitted to Water Science and Technology.

Weitere Publikationen