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Nova 3 – Lagerung und Transport

Nova 3 – Lagerung und Transport

Der Transport des Urins von der Toilette bis zu einer zentralen Aufbereitungsanlage ist der Knackpunkt der NoMix-Technologie. Nova 3 schlägt Übergangslösungen vor, um die NoMix-Technologie schon heute ins bestehende Abwassersystem zu integrieren und weiterzuentwickeln: Nach einer Zwischenspeicherung wird der Urin in der Kanalisation transportiert. Ein neu entwickeltes Computermodell unterstützt die Einführung der NoMix-Technologie in die Praxis. Eine wichtige Erkenntnis: Die heutigen NoMix-WCs fangen erst 60–75% des Urins auf.

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Wissenschaftlicher Hintergrund

Nova 3 befasst sich mit dem Transport des Urins von der NoMix-Toilette und einem lokalen Speicher bis zu einer zentralen Aufbereitungsanlage. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Urin vom Speicher wegzuführen: Tankwagen, separate Leitungen oder die bestehende Kanalisation. Letztere lässt sich zum Beispiel relativ kostengünstig nutzen, indem der Urin nachts transportiert wird – zu einer Zeit also, wo in vielen Einzugsgebieten nur wenig, fast unverschmutztes Wasser in der Kanalisation fliesst [1, 2]. Diese Strategie birgt aber einige Gefahren, weil der Urin dabei kurzzeitig sehr konzentriert durch die Kanalisation transportiert würde. So könnte bei unvorhersehbaren, übermässigen Regenfällen eine grosse Menge an Urin ungereinigt in die Gewässer gelangen. Zudem könnten Geruchsprobleme auftreten. Novaquatis prüfte deswegen als Übergangsszenario eine andere Möglichkeit für den Transport im Kanalnetz: Die Stickstofffracht wird über 24 Stunden verteilt, wodurch die Kapazität einer bestehenden Kläranlage besser genutzt wird (siehe Nova 3-1). Mit dieser Strategie liessen sich ohne grosse Risiken Erfahrungen über die Zuverlässigkeit von Regenvorhersagen gewinnen, weil nie eine grössere Urinmenge als heute gleichzeitig in der Kanalisation anfallen würde.

Eine Alternative zum schwierigen Transport von Urin wäre eine Aufbereitung vor Ort, die auf den Resultaten aus Nova 4 basiert.

Nova 3-1: Urinseparierung und "Abwasserdesign"

(Wolfgang Rauch, Willi Gujer, Tove A. Larsen)

Das Konzept des "Abwasserdesigns" besteht darin, Teile des Abwassers aus Haushalt oder Industrie zurückzuhalten und erst dann abzutransportieren, wenn es auf der Kläranlage Kapazität für die Behandlung dieser Teilströme gibt [3]. Besonders sinnvoll ist dieses Konzept beim Urin: Weil die meisten Menschen am Morgen aufstehen und das WC benutzen, verzeichnen die Kläranlagen eine "Morgenspitze" von Stickstoff aus Urin. Um diese Spitzenbelastung zu verarbeiten, müssen Kläranlagen heute deutlich grösser dimensioniert werden als eigentlich nötig wäre – was ihren Bau entsprechend verteuert. Würde man Urin im Haushalt speichern und die Speicher gezielt über die Nacht verteilt öffnen, würden die Kläranlagen gleichmässiger mit Stickstoff belastet. Zudem wäre es bei starkem Regen vorteilhaft, Urin zurückzuhalten, weil in solchen Fällen die Abwässer heute teilweise über die Hochwasserentlastungen ungereinigt in die Gewässer geleitet werden.

Nova 3-1 erstellte eine fiktive Fallstudie, die auf stochastischer Modellierung beruht. Sie basiert auf Daten aus der Umgebung von Zürich und geht von einer hundertprozentigen Umstellung auf NoMix-WCs aus. Die Studie zeigt, dass ein in die NoMix-Toilette integrierter Speicher von 10 Litern und eine sehr einfache Steuerstrategie zu folgenden Resultaten führen können: Erstens lässt sich das jährliche Volumen von Urin in Regenüberläufen um über 50% reduzieren und zweitens die Spitzenfracht an Stickstoff bei Trockenwetter um etwa 30% verringern. Das Erste kann eine ökonomisch attraktive Lösung sein, weil sie die Belastung der Gewässer mit toxischem Ammoniak während Regen verringert [4]. Das Zweite führt dazu, dass die Leistung einer nitrifizierenden Kläranlage in derselben Grössenordnung steigt, wie sich die Spitzenfracht verringert. Dadurch lässt sich in gewissen Fällen ein (teurer) Ausbau einer bestehenden Kläranlage wirksam umgehen oder verzögern ([5]; siehe auch Nova 3-3 und 7-2).

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Urin, frisch gezapft: Sammeltank in der Eawag (Foto Ruedi Keller)

Nova 3-2: Lagerung und Transport

(Luca Rossi, Judit Lienert, Tove A. Larsen)

Eine grosse Messkampagne gab Auskunft über das reelle Funktionieren der NoMix-Technologie [6]. Die Erkenntnisse aus dieser Forschung sind deshalb von Bedeutung, weil der Urin schon in den NoMix-Toiletten korrekt abgefangen und zum Speichertank geleitet werden muss. Messungen im Haushalt ergaben denn auch, dass die Ausbeute von Urin nur bei 60–75% der erwarteten Menge lag. Damit zeigt sich, wo praktische Verbesserungen der NoMix-WCs möglich sind. Im institutionellen Bereich, zum Beispiel an der Eawag, konnte mit den NoMix-WCs deutlich mehr Urin gesammelt werden. Verbesserungsmöglichkeiten lassen sich aber nur bei den Frauen-WCs abschätzen, weil bei den Männern die Urinale dominieren. Weitere Messungen ergaben, dass bei 55–60% der Spülungen die Taste für die kleine Wassermenge gedrückt wurde. In manchen Haushalten wurde aber die kleine Spülung kaum je gebraucht; im institutionellen Bereich schwankten die Werte sehr. Die Spülfrequenz im Haushalt führte zu einem klaren Nachweis, woher die "Morgenspitze" von Stickstoff in den Kläranlagen stammt: Nicht nur ist der Urin am Morgen konzentrierter, in den Morgenstunden wird auch häufiger gespült. Weiter zeigten sich in den Haushalten deutliche Unterschiede zwischen Wochentagen und Wochenende. Dies stimmt sehr genau mit Messergebnissen der Kläranlagen überein. Zukünftige Pilotprojekte können die detaillierten Daten für die Auslegung von Urinspeichern nutzen, um zu verhindern, dass diese zu gross – und damit zu teuer – oder zu klein gebaut werden.

03_nova3   Nicht für immer weggespült: Ein digitaler Zählapparat registriert in der Eawag Datum und Zeitpunkt jeder Spülung (Foto Andri Bryner)

Nova 3-3: Mikrosimulationsmodell (früher Nova 7-1)

(Christian Spörri, Peter Reichert, Irene Peters, Tove A. Larsen)

Mit einem neuen Computermodell auf Basis der so genannten Mikrosimulation wurde untersucht, wie sich unterschiedliche Strategien zur Bewirtschaftung von Urinspeichern auswirken [7]. Als Beispiel diente das Einzugsgebiet der Kläranlage Ergolz 1 im Kanton Basel-Landschaft. Das Modell basiert auf Daten aus der Volkszählung über Einwohnerinnen und Einwohner, ihre Arbeitsorte sowie über Wohn- und Geschäftsgebäude. Es bildet nach, wie sich Personen zur Arbeit, zu Freizeitaktivitäten und Dienstleistungsbetrieben bewegen. Medizinische Daten lieferten die Grundlagen, um das Verhalten der Menschen beim Wasserlassen und daraus folgend den Anfall an Urin in den einzelnen Toiletten zu simulieren. Regenprognosen und Niederschlagsdaten aus der Region dienten dazu, optimale Strategien für die Bewirtschaftung der Speicher zu suchen, um die Ziele von Nova 3-1 zu erreichen: die Stickstofffracht in der Kläranlage zu glätten und Urin in Regenüberläufen zu vermeiden. Bei einer zufälligen Verbreitung von NoMix-WCs in nur 30% der Wohnungen und Arbeitsgebäuden und einer Speichergrösse von 10 Litern macht das Modell folgende Voraussagen: Die Spitzenfracht zur Kläranlage wird um 20% reduziert, gleichzeitig treten bei Regen 22% weniger Urin in der Kanalisation auf. Die aufwändigere Modellierung erlaubt es also, bessere Steuerungsstrategien zu finden als die in Nova 3-1 angewandte, die von einer hundertprozentigen Verbreitung von NoMix-WCs ausgeht.

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Siedlungen durch die WC-Brille betrachtet: Das Mikrosimulationsmodell braucht genaue Daten über Wohnen, Arbeit und Freizeit (Foto Andri Bryner)

Schlussfolgerungen

Knackpunkt der NoMix-Technologie ist der Transport des Urins von der NoMix-Toilette bis zu einer zentralen Aufbereitungsanlage. Nova 3 zeigt auf, dass es zumindest eine gute Zwischenlösung für den Urintransport gibt, die die Kläranlagen optimiert: eine Verteilung über 24 Stunden durch die bestehende Kanalisation. Im Prinzip kann der Urin auch konzentriert und im Schwall durchs Kanalnetz transportiert werden. Ob diese Lösung gangbar ist, können aber erst Erfahrungen aus einem praktischen Grossprojekt belegen. Eine Implementierung der Zwischenlösung erlaubt solche Experimente. Als Alternative zum schwierigen Transport könnte der Urin gemäss den Erkenntnissen aus Nova 4 vor Ort aufbereitet werden.

Die praktischen Erfahrungen aus den Pilotprojekten zeigen, dass sich die Effizienz der Urintrennung in den NoMix-Toiletten noch verbessern lässt. Eine Erkenntnis, die vor allem für die Weiterentwicklung der NoMix-WCs von Bedeutung ist.

Literatur

  1. Larsen, T.A., W. Gujer (1996) Separate management of anthropogenic nutrient solutions (human urine). Water Science and Technology 34(3–4): 87–94.
  2. Huisman, J.L., S. Burckhardt, T.A. Larsen, P. Krebs, W. Gujer (2000) Propagation of waves and dissolved compounds in sewer. Journal of Environmental Engineering-ASCE 126(1): 12–20.
  3. Larsen, T.A., W. Gujer (1997) The concept of sustainable urban water management. Water Science and Technology 35(9): 3–10.
  4. Rossi, L., J. Lienert, W. Rauch (2004) At-source control of urine to prevent acute wet-weather impacts of ammonia. Presented at 5th International Conference on Sustainable Techniques and Strategies in Urban Water Management (NOVATECH), May 2004. Proceedings, vol 2, Lyon, France: 919–926.
  5. Rauch, W., D. Brockmann, I. Peters, T.A. Larsen, W. Gujer (2003) Combining urine separation with waste design: an analysis using a stochastic model for urine production. Water Research 37(3): 681–689.
  6. Rossi, L., J. Lienert, T.A. Larsen (submitted) Real-life efficiency of urine source separation: experience from households and an institutional setting. Submitted to Water Research.
  7. Spörri, C., I. Peters, T.A. Larsen, P. Reichert (in preparation) A micro­simulation model for optimizing urine tank management strategies of NoMix toilets. In preparation for Water Research.

Weitere Publikationen